28. Februar 2003 20:00 Uhr
Literarisches Zentrum (Düstere Straße)
Dudenzauber im Stammbuch der Liebe
Es gibt vermutlich keine deutschsprachige, jüngere Autorin in den letzten zehn Jahren, die ihre Leser weniger unterschätzt und dabei großzügiger unterhalten hätte als Kathrin Schmidt. – In der gerade abatmenden DDR erschien ein erster Gedichtband. Dann folgte ein quasi zweites Debüt bei Suhrkamp. 1998 lasen wir dann in dem Roman Die Gunnar-Lennefsen-Expedition ein sprachgewaltiges Kalenderwerk deutsch geprägter Familien- und Weiblichkeitsgeschichte, dem 2000 ein weiterer Gedichtband folgte. Ausgezeichnet hat all diese Bücher der Dudenzauber, über den Kathrin Schmidt verfügt. Auch ihr neuer Roman Koenigs Kinder bricht damit nicht. Im Gegenteil: Die Kritik ist begeistert, angenehm aufgestört und scheint wieder die Fesseln an den großspurigen Gebärden zu spüren, die Kritik immer hat, wenn ihr Gegenstand vitaler, komplexer, narrativ geschickter ist als eine Rezension jemals sein kann. Koenigs Kinder ist ein schreckliches Märchen von ungebändigem sinnlichen Realismus (Die Zeit), ein Roman über unsere Beziehungswelten (Freitag), ein Nachruf auf das Gefühlserbe der DDR (NZZ), ein verstörendes Stammbuch der Liebe (FR) – »der alten Hur«, wie letztlich auch Kathrin Schmidt zustimmen müsste.
Moderation: Hauke Hückstädt