4. November 2009 20:00 Uhr
Literarisches Zentrum (Düstere Straße)
Alice
Ein angebissenes Mandelhörnchen, ein zweites, nun überflüssiges Kopfkissen oder ein Bündel Briefe längst vergilbten Papiers. Nach dem Tod uns Nahestehender sind wir allgegenwärtig von Dingen umgeben, die zeichenhaft den Verlust in der Realität fixieren. Alice, die Heldin in Judith Hermanns neuem Erzählungsband, erlebt dies gleichsam in Serie: Micha, Conrad, Richard, Malte, Raymond. Fünf Männer, deren Habseligkeiten am Ende in ein paar Plastiktüten passen. – Was bleibt post mortem vom Leben? Weder Dinge noch Sprache trösten jedenfalls, denn die sind in >Alice< (S.Fischer) als Blitzableiter für Schmerz nicht zu gebrauchen. Grabendunkle Leerstellen und der heisere Ton Hermanns machen die Unfassbarkeit des Todes im Erzählen sichtbar. Wie haltlose Astronauten bleiben die Figuren im Leben zurück. – Ende der Neunziger debütierte Judith Hermann mit >Sommerhaus, später,< mit der bekannten, bisweilen absonderlichen Resonanz. Ihre Geschichten aus >Nichts als Gespenster< wurden später mit August Diehl und Fritzi Haberlandt für das deutsche Kino adaptiert. Über Haltlosigkeiten und darüber, ob in Alice nicht doch ein Quentchen Trost steckt, spricht Judith Hermann mit dem Literaturwissenschaftler Gerhard Kaiser (Göttingen/Düsseldorf).