1. Dezember 2005 20:00 Uhr
Literarisches Zentrum (Düstere Straße)
Enkel des 20. Juli
Dass Erinnerungskultur sich heute ungeniert an Tagesmoden und Marketingstrategien orientieren darf, auch dann, wenn es um Themen wie Macht und Moral geht, das dokumentiert die schleichende Knoppisierung deutscher Nazi-Vergangenheit. Mit dem Porträt- und Geschichtsband „Die Enkel des 20. Juli“ hebt sich Felicitas von Aretin in wohltuend differenzierender Weise von diesem Zeitgeist ab. Es geht um die Enkel der Männer, die am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler verübten. Und um ihren Umgang mit dem schwierigen historischen Familienerbe. Wie haben die Geschichte bzw. das Schweigen, das man meist über sie wahrte, in den Familien, in den Biographien Einzelner gewirkt? Von Aretin, Enkelin Henning von Tresckows, hat Interviews mit Nachkommen der Verschwörer geführt, berichtet in eindrücklicher Weise über das eigene Enkelin-Erleben. Dabei zeigt sie, in welchem Spannungsfeld sich eine Kultur des Erinnern bewegen kann: zwischen historischer Aufarbeitung, gesellschaftlichem Gedächtnis und individuellem Erinnern. Der Journalist Tom Schimmeck (Küsten) kommt mit der gebürtigen Göttingerin von Aretin, derzeit Leiterin der Pressestelle der Freien Universität Berlin, ins Gespräch.