4. November 2004 20:00 Uhr
Literarisches Zentrum (Düstere Straße)
Erklärt die Welt: Hochstapelei
Für seinen Roman Ich und Kaminski sei »sehr viel Einfühlung in einen sich ständig überschätzenden, ehrgeizigen, karrieristischen Kerl« notwendig gewesen, sagt Daniel Kehlmann. Wer also wäre besser geeignet, sich in der Zentrums-Reihe »Erklärt die Welt:« der Hochstapelei zu widmen! Und damit eine Seinsform zu thematisieren, die so verdeckt gelebt wird, dass es zu literarischen Aufdeckungstaten reizt. Thomas Manns Felix Krull oder Canettis Die Blendung zeugen davon.
Kehlmanns Hauptfigur Sebastian Zöllner ist Kunstkritiker und plant, eine Biografie über den blinden Maler Kaminski zu schreiben, hoffend auf dessen baldigen Tod. Die Begegnung des so besserwisserischen wie unvermögenden Biografen mit dem großen Maler führt in ein Fiasko, in dem Zöllner seine Rolle als Geschichtsschreiber verläßt. Er drängt sich in Kaminskis Leben, mischt dessen Karten neu und den Kulturbetrieb auf. Eine Satire auf das Spannungsverhältnis von Kunst und Kapital unter den Bedingungen der Selbstverliebtheit. Die Kritik schwört: Seine filmreifen Dialoge und Bilder »verströmen den irritierenden Reiz von Meistern wie Nabokov oder Proust«.
Daniel Kehlmann, der im Frühjahr wegen einer Kehlkopfentzündung kurzfristig absagen musste, holt seinen Besuch im Zentrum nach.