6. Februar 2025 20:00 Uhr
»Sich ein Herz fassen«
Draesner fasst sich ein Herz und reist unter dem Titel »Scheitern erweitern« in ihrer ersten Vorlesung mit uns ins Innere von Körpern, Erfindungsprozessen, Hochbegabten und Höhlen. Was bedeutet es, schreibend die Grenzen unserer Denkgewohnheiten und Sprache(n) abzutasten? Wie entstehen historische Romane? Hilft es, ihre Räume selbst als Figur zu begreifen? Mit wie vielen Räumen bekomme ich es als Schriftstellerin zu tun (Sprachraum, Figurenraum, Bakterienraum, Teilchenraum, Vergangenheitsraum, Leseraum ...)?
Draesner fasst sich noch ein Herz (welches?) und schleicht in ihrem zweiten Vortrag mit Hilfe verschiedener Masken (als Wir, als er/sie, als Pferd) der hinterhältigsten aller Erzählinstanzen nach: dem Ich. Ah, es ist so schön. Und so ersetzbar? Kollektivfähig etwa auch? Test, Test, Test. Können wir es tatsächlich erweitern, jetzt, wo der Planet eine neue Transformationsstufe zu durchlaufen scheint? Wo Mitkreatürlichkeit und Perspektivenerweiterung gefragt sind? Werden Mehrsprachigkeit und maschinengenerierter Text das literarische Feld stärker verändern, als wir begreifen? Draesners zweiter Vortrag (»Aus dem Ich«) entwickelt Figurationen literarischer Zeitgenossenschaft. Denn was heißt es, als warme vergängliche Wesen Welt für unseresgleichen in Worte zu fassen? Während die im Gras stehende KI, bekanntlich herzlos, uns heiter zu sich winkt.
Die Laudatio auf Ulrike Draesner hält die Literaturkritikerin Insa Wilke.
Die Lichtenberg-Poetikvorlesung wird unterstützt von der Stiftung der Georg-August-Universität Göttingen, Stiftung privaten Rechts, der Stiftung Niedersachsen und dem Wallstein Verlag.