5. Februar 2004 20:00 Uhr
Literarisches Zentrum (Düstere Straße)
Mandelstam
Europäer, Russe. Jude, Christ. Flüchtender, Gulag-Häftling. Opfer, Märtyrer. Poet – Ossip Mandelstam. Was unvereinbar scheint, tritt zusammen in der Figur des russischen Dichters, den Joseph Brodsky den »modernen Orpheus« nannte und Vladimir Nabokov einen herrlichen Dichter, den größten »von allen, die in Rußland unter der Sowjetherrschaft zu überleben versuchten«.
Ralph Dutli stellt in seiner Mandelstam-Biographie Meine Zeit, mein Tier Fragen an das Leben des Poeten, ohne Anspruch auf endgültige Antworten. Dutli hat gegen die Überzeugung Mandelstams, der Besitzlose brauche keine Erinnerungen, gehandelt, als er aus Lebensdaten und Werkzitaten ein Bild des Dichters zeichnete. Gerade deshalb ist es ihm gelungen, die Balance zwischen Empathie und Distanz zu halten und dabei weder die Opferrolle des Dichters noch den Mythos Mandelstam einseitig zu bedienen.
Ralph Dutli, der auch Übersetzer und Herausgeber der zehnbändigen Mandelstam-Werkausgabe ist, wird die Biografie vorstellen und Gedichte rezitieren.